BUND Sachsen-Anhalt

30 Jahre Grünes Band: Zeitgeschichte und Natur erleben, Lücken schließen

26. Juni 2019 | BUND, Grünes Band, Lebensräume, Naturschutz

Nürnberg /Altmarkkreis Salzwedel, 26. Juni 2019

PRESSEMITTEILUNG

des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) zur Pressereise „Berg- und Talfahrt Grünes Band“ in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen am 25. und 26. Juni 2019: Vom höchsten Punkt des Grünen Bandes bis ins norddeutsche Tiefland
 

26. Juni 2019: Bis 1989 war Deutschland durch eine unmenschliche Grenze getrennt. Ganz im Gegensatz dazu steht das Grüne Band – der einzigartige Lebensraumverbund, der sich im Schatten des Eisernen Vorhangs durch ganz Deutschland entwickelte – heute sinnbildlich für eine länderübergreifende Zusammenarbeit. Es ist eine Schatzkammer der Artenvielfalt und eine einzigartige Erinnerungslandschaft an die jüngere deutsche und europäische Zeitgeschichte.

Der zweite Tag der 2-tägigen Jubiläumsbereisung „30 Jahre Grünes Band“ war dem Projekt „Lückenschluss Grünes Band“ gewidmet, das im nördlichen Altmarkkreis Salzwedel seinen Schwerpunktbereich hat. Das achtjährige Projekt wird im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Durch Flächenkäufe und gemeinsame Maßnahmen mit Landwirten, Einrichtungen wie z.B. dem Unterhaltungsverband und Akteuren auch aus Niedersachsen konnte die kulturelle und biologische Vielfalt des Grünen Bandes hier auf herausragende Weise bewahrt und weiter entwickelt werden.

Klaus Rehda, Staatssekreträr im Umweltministerium des Landes Sachsen-Anhalt gratulierte dem BUND zum erfolgreichen Projekt und stellte die Aktivitäten des Landes fürs Grüne Band vor: „Mit unserer landeseigenen Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz (SUNK) sind wir der größte Flächeneigentümer im Grünen Band Sachsen-Anhalts und haben somit eine große Verantwortung für die Erhaltung der Biotop- und Artenvielfalt. Hier an der Wirler Spitze sind unzählige seltene Tier- und Pflanzenarten von den offenen Sandlebensräumen abhängig.  Die SUNK beabsichtigt daher in den kommenden Jahren dem Beispiel des BUND zu folgen und die angrenzenden stark mit Kiefern zugewachsenen Bereiche des Grünen Bandes ebenfalls aufzulichten, um die wertvollen Lebensräume zu erhalten.

Zudem will das Land Sachsen-Anhalt dem positiven Beispiel Thüringens folgen und noch bis Ende des Jahres seinen 343 Kilometer langen Anteil am Grünen Band als Nationales Naturmonument ausweisen. Die überragende historische Bedeutung des Grünen Bandes würde so 30 Jahre nach dem Mauerfall gewürdigt. Dieter Leupold, stellvertretender Vorsitzender beim BUND Sachsen-Anhalt e.V. und Projektleiter Grünes Band Sachsen-Anhalt, wies darauf hin, dass für das Grüne Band sowohl auf Grund seiner Bedeutung als einzigem länderübergreifenden Biotopverbund als auch als Erinnerungslandschaft für die friedlich überwundene Teilung Deutschlands eine nationale Verantwortung besteht: „Dazu ist eine Unterschutzstellung des gesamten Grünen Bandes als Nationales Naturmonument erforderlich. Wir erwarten daher von der Landesregierung Sachsen-Anhalts, dass sie die in der aktuellen Koalitionsvereinbarung vereinbarte Ausweisung zügig umsetzt und den weiteren Lückenschluss im Grünen Band dringend voranbringt.“

Der Arendseeer Bürgermeister Norman Klebe sprach an der Wirler Spitze über die besondere historische Bedeutung dieser markanten Biegung in der Landschaft und ihren Wert für die Natur und Erholungssuchende. „Über die offenen Binnendünen an der Wirler Spitze freuen sich nicht nur viele seltene Arten der Sand-Lebensräume. Auch für Wanderer und Reiter ist die Landschaft hier ausgesprochen attraktiv.“ 

Für die regionale Erinnerungskultur im nördlichen Altmarkkreis Salzwedel ist die geschleifte Ortschaft Jahrsau Dreh- und Angelpunkt. Hier hat der BUND im Rahmen des Lückenschluss-Projekts ein Grundstück erworben. So konnten die noch vorhandenen Grundmauern und Reste der Dorfstraße freigelegt sowie durch historische Bilder, Wegweiser und das Anlegen von kleinen Pfaden ein Rundweg für Besucher*innen eingerichtet werden. Damit wird die Erinnerung an diesen zerstörten Ort und das mit der Zwangsaussiedlung verbundene Leid der Menschen bewahrt. Jürgen Starck von der BUND Koordinierungsstelle Grünes Band Sachsen-Anhalt kümmert sich schon seit vielen Jahren in liebevoller Kleinarbeit um das Wachhalten der Erinnerung. Er hat auch Kontakt zu vielen Zeitzeugen gesucht und bringt deren Schicksale, neben der Natur des Grünen Bandes, den Teilnehmer*innen von Führungen nahe.

Bei einer Fahrradtour auf dem Vier-Länder-Grenzradweg stellte der BUND die Naturschutzmaßnahmen im 2012 gestarteten Projekt Lückenschluss Grünes Band vor. Aktuell ist das rund 1.400 Kilometer lange Grüne Band Deutschland auf 170 Kilometer Länge nicht mehr erkennbar, insbesondere aufgrund intensiver landwirtschaftlicher Nutzung. Das Schließen der Lücken ist eine der großen Herausforderungen, die vom BUND in der Region modellhaft umgesetzt wird. Ein lückenloser Korridor wie das Grüne Band hilft auch weniger mobilen Tierarten, sich weiter auszubreiten. „Ein unvollständiger Biotopverbund ist wie eine Hängebrücke, bei der manche Bohle fehlt oder auch mal zwei oder drei hintereinander. Man geht da zwar drüber, aber eben nicht allzu gerne. Und wenn zu viele Bohlen fehlen, gar nicht mehr“, erklärte Uwe Friedel vom BUND-Fachbereich Grünes Band und wies auf die Herausforderungen beim Lückenschluss hin: „Das Schließen der Lücken im gesamten Grünen Band ist erschwert durch kleinräumige Besitzverhältnisse, den derzeitigen massiven Flächenhunger und Nutzungsdruck von benachbarten Flächen“. Umso mehr sei das Erfolgsrezept für den Lückenschluss in der Altmark hervorzuheben: Die seit vielen Jahren gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Landwirtschaft, zum Gewinn für beide Seiten.

Diese kommt in besonderer Weise dem bundesweit stark im Rückgang begriffenen Braunkehlchen zu Gute, für das das Grüne Band ein wichtiges Refugium ist. In den letzten Jahren konnten im Lückenschluss-Projekt durch freiwillige Mitarbeit von Landwirten viele Nester und Bruten vor der Zerstörung durch die Mahd geschützt werden. Der BUND-Vogelkundler Olaf Olejnik beobachtet dessen Vorkommen ehrenamtlich hier seit 20 Jahren und berichtete von den beeindruckenden Ergebnissen dieser Zusammenarbeit: In einem 2.200 Hektar großen Gebiet hat die Zahl der erfolgreich brütenden Paare von 22 in 2016 auf 51 Paare in 2018 zugenommen. Im angrenzenden Wendland konnte dieser vielversprechende Ansatz mittlerweile auch übernommen werden, berichtete Stefan Beilke von der biologischen Station des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in der Landgraben-Dumme-Niederung. Man hofft hier die Population des Braunkehlchens sowie anderer seltener Wiesenvögel wieder stabilisieren zu können.

Zu Projektbeginn wurde im Wassergrabensystem am Grünen Band die bundesweit vom Aussterben bedrohte Libellenart Vogel-Azurjungfer entdeckt. In enger Abstimmung zwischen BUND und Unterhaltungsverband Jeetze werden die Gräben nun so gepflegt, dass die speziellen Lebensraumansprüche der Libelle optimal erfüllt werden. Der Geschäftsführer des Unterhaltungsverbandes Uwe Heinecke erläuterte, dass dies in den letzten 5 Jahren zu einer deutlichen Zunahme der besiedelten Gräben geführt hat (von 7 Kilometer auf 14 Kilometer besiedelte Grabenstrecke). Mittlerweile konnten auch hier die Schutzbemühungen auf die niedersächsische Seite ausgedehnt werden.

In der Salzflora Hoyersburg nördlich von Salzwedel kommen echte Raritäten vor, die man sonst nur an der Küste findet: Pflanzenarten wie das Strand-Milchkraut, die mit dem erhöhten Salzgehalt im Boden gut zurechtkommen. Diese seltenen Pflanzenarten benötigen zudem zum Keimen offene Bodenstellen, wie sie durch die Beweidung mit Rindern entstehen. Darum hat der BUND zusammen mit zwei Landwirten ein ehrgeiziges Beweidungsprojekt gestartet: Ziel ist die extensive Beweidung mit robusten Rinderrassen auf 125 Hektar. Die notwendige Weideinfrastruktur (z.B. Zäune) konnte mit Mitteln des Lückenschlussprojekts finanziert werden. Neben den Pflanzen profitieren davon auch bodenbrütende Vogelarten (z.B. Kiebitz, Wachtelkönig), die reich strukturierte Flächen und nasse Stellen benötigen. Durch eine Vielzahl auch mit dem Bagger neu geschaffener Kleinst- und Kleingewässer wird das Gebiet, das bereits jetzt ein Eldorado für Amphibien, Libellen, rastende Zugvögel und wiesenbrütende Vögel ist, noch wertvoller. Die Vermarktung des Fleisches, zertifiziert nach Bio-Standards, soll zukünftig möglichst direkt erfolgen. Der Naturschutz rechnet sich also auch für die Landwirte.

Am Grenzturm Hoyersburg feierten die Teilnehmer*innen mit einer Aktion das Jubiläum „30 Jahre Grünes Band“. Und zum Abschluss brachen alle mit einbrechender Dunkelheit noch zur Glühwürmchen-Wanderung ins Bürgerholz auf. Diese Wanderung ist seit Jahren ein fester Bestandteil der bei Einheimischen und Touristen zunehmend beliebten jährlichen Veranstaltungsreihe am Grünen Band. Das Bürgerholz ist eine Teilfläche des Stadtforstes Salzwedel, der vor zwei Jahren von der Stadt Salzwedel an einen Privatbesitzer verkauft wurde. Mit einer Größe von ca. 1.500 Hektar zählt dieser Wald zu den größten unzerschnittenen und wertvollsten Feuchtwaldkomplexen in ganz Deutschland. Nach dem Verkauf ist unklar, wohin sich dieser Wald unter dem neuen Eigentümer entwickeln wird. Zumindest die an den Stadtforst angrenzenden Flächen des Grünen Bandes (knapp 90 Hektar) wurden nicht an den Privatinvestor veräußert, sondern konnten vom BUND im Rahmen des Lückenschlussprojekts dauerhaft für den Naturschutz von der Stadt erworben werden.

 

Hintergrund
Das Grüne Band gilt seit 30 Jahren als ein Symbol für die Überwindung von Grenzen und für die länderübergreifende Zusammenarbeit im Naturschutz. Als einzigartige Erinnerungslandschaft verbindet es Natur, Kultur und Geschichte entlang von 1.393 Kilometern mitten durch Deutschland. In Europa verbindet es 24 Staaten auf einer Länge von über 12.500 Kilometern und nahezu alle biogeographischen Regionen vom Eismeer bis an die Adria und ans Schwarze Meer.

Aufgrund der für Jahrzehnte eingeschränkten Nutzung im ehemaligen Todesstreifen und der dadurch heute noch ausgedehnten naturnahen Bereiche bildet das Grüne Band immer noch den einzig existierenden länderübergreifenden Biotopverbund Deutschlands.

Der BUND kauft mit Hilfe von Spenden- und Fördermitteln Flächen im Grünen Band an. In neun Pilotregionen sind bereits über 1.000 Hektar langfristig gesichert und es werden erfolgreich Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen in Kooperation mit lokalen Akteuren und Landwirten durchgeführt.

Die DDR-Regierung siedelte Menschen aus der fünf Kilometer breiten Sperrzone entlang der innerdeutschen Grenze aus, insbesondere während der "Aktion Ungeziefer" (1952) und der „Aktion Kornblume" (1961). Über 100 Ortschaften wurden wie Jahrsau dabei komplett entvölkert und die Gebäude abgerissen. 11.500 Menschen verloren durch Umsiedlungen aus dem Grenzgebiet Ihre Heimat.

 

 

Für Rückfragen:
Uwe Friedel, Projektkoordinator BUND Fachbereich Grünes Band, mobil vom 25.-26.6.: 0173-8058563
gruenesband(at)bund-naturschutz.de, www.grunesband.info

 

Diese Pressemitteilung und umfangreiches Bildmaterial zum Grünen Band Deutschland und Europa finden Sie auf: www.bund.net/30jahre-gb

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