BUND Sachsen-Anhalt

Halbzeit für den Vogel des Jahres 2023: Erfolgreicher Braunkehlchenschutz beim BUND Sachsen-Anhalt e.V.

29. Juni 2023 | BUND, Grünes Band

Um den Johannistag herum, signalisiert der Ausflug der Jungen bei etwa der Hälfte der Braunkehlchenpaare im Raum Salzwedel die Halbzeit der Brutzeit. Mitte bis Ende Juli werden die verbleibenden Vögel flügge und begeben sich im Spätsommer auf die Reise zu ihren Überwinterungsgebieten südlich der Sahara. Doch damit diese bemerkenswerte Reise für zukünftige Generationen fortgesetzt werden kann, sind nachhaltige Schutzmaßnahmen von zentraler Bedeutung.

 (Olaf Olejnik / BUND Sachsen-Anhalt e.V.)

Viele gutgemeinte Agrarumweltmaßnahmen haben sich oft als unwirksam erwiesen, da sie auf ungeeigneten Standorten angewendet werden und Artenschutzmaßnahmen häufig nicht ausreichend berücksichtigen.

Es ist offensichtlich, dass Artenschutz nicht ausschließlich am Schreibtisch organisiert werden kann - er muss auch vor Ort in Zusammenarbeit mit den Landwirten betrieben werden.“ Sagt Olaf Olejnik, Ornithologe vom BUND Sachsen-Anhalt e.V.

Um diese Herausforderung zu bewältigen, wurde im Raum Salzwedel, im nördlichen Sachsen-Anhalt, vor neun Jahren ein innovatives Wiesenvogelschutzprojekt ins Leben gerufen. Durch die Unterstützung des Bundesamtes für Naturschutz und des Europäischen Landwirtschaftsfonds setzt der BUND Sachsen-Anhalt e.V. dieses ambitionierte Projekt erfolgreich um, welches insbesondere auf das Braunkehlchen - den Charaktervogel des Grünen Bandes - ausgerichtet ist. Das Projekt wird von Olaf Olejnik, einem erfahrenen Ornithologen und langjährigen Beobachter des Braunkehlchens, durchgeführt. Der Projektmitarbeiter beschäftigt sich seit Beginn der 1980er Jahre mit der heimischen Vogelwelt und seit über 20 Jahren speziell mit dem Braunkehlchen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze.

Das Schutzprojekt berücksichtigt auch andere bedrohte Vogelarten wie den Kiebitz, das Rebhuhn, das Schwarzkehlchen und den Wiesenpieper. Der Ansatz ist so einfach, wie er kompliziert ist: Die Nahrungs- und Bruthabitate sollen dort vor der Bearbeitung geschont werden, wo die Vögel tatsächlich vorkommen, und dies so lange, bis die Jungvögel flügge sind. Jede Saison werden die Standorte und Bestände erneut erfasst, um eine an das Brutgeschehen angepasste Landnutzung zu ermöglichen.

Die Bewirtschaftung wird in diesem Projekt nicht vollständig ausgeschlossen oder stark reglementiert, sondern raumzeitlich verteilt, ähnlich wie es im vergangenen Jahrhundert der Fall war, als die Arbeiten in den Feldmarken noch nicht nahezu gleichzeitig und frühzeitig abliefen. Dieser Ansatz hat sich bereits als erfolgreich erwiesen, indem er nicht nur den Bruterfolg garantiert, sondern auch die Vorkommen der bedrohten Vogelarten stabilisiert und letztlich erhöht.

Sicher hat es auch schon in der guten alten Zeit nicht immer für alle gereicht, das sollte aber nicht zwangsläufig „game over“ für die Schwachen bedeuten.“, so Olejnik.

Braunkehlchen sind, wie andere Arten, zunehmend von den Auswirkungen der modernen Landwirtschaft bedroht, die ihre natürlichen Lebensräume zerstört und die traditionellen Bewirtschaftungsmethoden verändert. Wiesen und Weiden sind vielerorts längst zu Ackerland umgewandelt worden, viele Wiesen, Weiden, Weg- und Grabenränder werden schon früh im Sommer gemäht. In der Regel beginnt der Grasschnitt ab Mai (manchmal bis zu sieben Mal in der Saison), Heu wird gemacht und auch die meisten Gräben werden früh bearbeitet. Anders als Vogelarten wie die Feldlerche oder das Schwarzkehlchen, die bereits früher in der Saison brüten, haben Braunkehlchen in der gegenwärtigen Agrarlandschaft kaum Überlebenschancen, abgesehen von denen, die auf wenigen spät gepflegten Naturschutzflächen leben. Dies hat in den letzten Jahrzehnten zu einem drastischen Rückgang der Populationen geführt.

Heute ist das Braunkehlchen auf der Roten Liste Deutschland in der Kategorie 2 stark gefährdet gelistet.

Das Braunkehlchen, der Vogel des Jahres 2023 in Deutschland und Österreich, steht dabei stellvertretend für eine ganze Lebensgemeinschaft, die in der heutigen Agrarlandschaft kaum noch eine Chance hat. Dennoch, dank nachhaltiger Projekte wie dem in Salzwedel, gibt es Hoffnung für diese und andere bedrohte Arten.

 

Über das Braunkehlchen:

Das Braunkehlchen ist ein attraktiver, meisengroßer Zugvogel, der seine Wintermonate südlich der Sahara verbringt und ab Mitte April in seine Sommerlebensräume in Mitteleuropa zurückkehrt. Diese kleinen Vögel bevorzugen offene oder halboffene Wiesen und Weiden, die reich an Insekten sind – eine wichtige Nahrungsquelle für sie. Ihre Brutzeit beginnt ab Anfang Mai, wobei sich viele Vögel auch erst Ende des Monats und im Juni fortpflanzen.

Braunkehlchen sind bodenbrütende Vögel. Sie legen zwischen vier und sechs kleine Eier, deren Bebrütung und die Aufzucht der daraus hervorgehenden Jungvögel etwa eine Mondphase in Anspruch nimmt. Schon im Alter von einer Woche verlassen die Jungvögel das Nest und sind nur eine Woche später in der Lage zu fliegen. Insgesamt benötigen die Braunkehlchen während der Monate Mai bis Juli eine nahrungsreiche und sichere Heimstatt.

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