BUND Sachsen-Anhalt

Die Koordinierungsstelle Grünes Band des BUND Sachsen-Anhalt e.V. wertet Nachtfalterzählung aus: Sensationsfunde in der Landgraben-Dumme-Niederung am Grünen Band!

16. Dezember 2021 | Brietzer Teiche, BUND, Grünes Band, Lebensräume, Naturschutz, Schmetterlinge

Unter der unglaublich großen Anzahl von beobachteten Arten sind bundesweit stark gefährdete und in Sachsen-Anhalt als ausgestorben geltende Nachtfalter.

Jochen Köhler

Die aktuelle „Erfassung Tag- und Nachtfalterfauna in der Landgraben-Dumme-Niederung“ liefert überraschende Ergebnisse und stellt einmal mehr die Bedeutung der Landgraben-Dumme-Niederung und insbesondere der Brietzer Teiche und des Cheiner Torfmoores am Grünen Band als Lebensraum für bundesweit gefährdete Nachtfalterarten heraus.

Die Zählung fand im Rahmen einer Analyse der Artenvielfalt im Cheiner Torfmoor und an den Brietzer Teichen auf Flächen des BUND Sachsen-Anhalts statt. In drei Nächten im Juni und Juli 2021 wurden die Falter beobachtet. Zu dieser Zeit ist die Aktivität der meisten Nachtfalter am größten. Angelockt wurden sie durch eine Lichtquelle, die Licht mit einem hohen UV-Anteil aussendet.

„Für uns sollte die Erfassung bestätigen, welche Bedeutung diese Projektgebiete am Grünen Band für die Biodiversität dieser bisher kaum untersuchten Artengruppe haben.“ sagt Dieter Leupold, Projektleiter Grünes Band Sachsen-Anhalt. “Wirklich überrascht hat uns dann aber die große Anzahl der gefundenen Arten mit ganz unterschiedlichen ökologischen Ansprüchen. Dies belegt noch einmal eindrücklich, wie wichtig es ist, im Naturschutz großräumig zu denken.“

Insgesamt wurden in den beiden Projektgebieten bei dieser Zählung 202 Nachtfalterarten erfasst.

„Ein beeindruckendes Ergebnis in nur drei Erfassungsnächten!“ führt Jochen Köhler, deutschlandweit einer der führenden Experten für Nachtfalter, in der Auswertung aus. „Dies ist somit ein Beleg für die hohe Bedeutung der untersuchten Gebiete am Grünen Band für den Artenschutz.“

Die Beobachtung, sowie die Analyse und Auswertung der Beobachtungen fand im Rahmen des Projektes „Quervernetzung am Grünen Band“ statt. Das Projekt wird gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) im Bundesprogramm Biologische Vielfalt sowie durch den Bayerischen Naturschutzfonds.

Besonders gefährdete Arten gefunden

Von den 202 erfassten Arten sind 64 Arten entweder auf der Roten Liste Sachsen-Anhalts, des benachbarten Niedersachsens oder Deutschlands verzeichnet. Das entspricht 32 Prozent der insgesamt gefundenen Arten.

21 der gefundenen Arten sind bundesweit bedroht, 60 Arten gelten in Niedersachsen als gefährdet und 29 Arten befinden sich in Sachsen-Anhalt auf der Roten Liste.

Die drei folgenden Arten waren auch dabei. Sie gelten in Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und bundesweit als besonders gefährdet.

Die Erlen-Pfeileule (Acronicta cuspis)

In Sachsen-Anhalt ausgestorben, in Niedersachsen vom Aussterben bedroht

Die Erlen-Pfeileule wird auf der Roten Liste Sachsen-Anhalt in der Kategorie 0 geführt und gilt damit hier als ausgestorben. Aber auch in Niedersachsen gilt diese Art als vom Aussterben bedroht (Rote Liste Kat.1).

Die Art kommt in Erlenbrüchen, Auen- und Moorwäldern vor. Sie brauchen nicht nur eine hohe Luftfeuchtigkeit, sondern lieben es auch warm, daher findet man sie dort, wo die Sonne den Waldboden erreicht. Die Raupen fressen die Blätter von Erlen. Der Fund einer Puppe in einem Erlenbruch im Wendland bei Blütlingen liegt ca. 40 Jahre zurück.

„Die Erlen-Pfeileule ist nur sehr lokal zu finden. Nachweise in Deutschland liegen oft Jahrzehnte zurück“, so Jochen Köhler in seiner aktuellen Auswertung.

Die Ockergelbe Feldflureule (Eremobia ochroleuca)

Bundesweit stark gefährdet

Die Ockergelbe Feldflureule gilt bundesweit als stark gefährdet (Rote Liste Kat. 2), in Sachsen-Anhalt ist diese Art vom Aussterben bedroht (Rote Liste Sachsen-Anhalt Kat. 1).

Diese Art lebt eigentlich in trockenwarmen Hanglagen, Böschungen, Magerrasen und besonnten Brachen. Trotz der Feuchtigkeit an den Brietzer Teichen findet man auch dort einige solcher Standorte, an denen sich diese Falter wohlfühlen. Die Falter sind nicht nur nachtaktiv, sondern auch tagsüber sind sie eifrige Blütenbesucher.

„Der Bestand ist stark rückläufig. Funde in Sachsen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen liegen Jahrzehnte zurück.“, zieht Jochen Köhler in seiner Untersuchung zu dieser Art Bilanz.

Der Graue Gürtelpuppenspanner (Cyclophora pendularia)

Eine extrem seltene Art mit geographischer Restriktion

Der Graue Gürtelpuppenspanner ist in Niedersachsen vom Aussterben bedroht (Rote Liste Kat. 1) und gilt bundesweit als stark gefährdet (Rote Liste Kat. 2). In Sachsen-Anhalt ist diese Art auf der Roten Liste mit „R“ gekennzeichnet und gilt somit als extrem seltene Art, die geografisch auf einige wenige Gebiete beschränkt ist.

Die Falter leben in Feuchtwäldern. Bei den Brietzer Teichen bieten die ausgedehnten Feuchtgebüsche mit Grauweiden dieser Art einen idealen Lebensraum. Die Art und Weise wie die Raupe zur Verpuppung an Blättern oder Zweigen einen „Gürtel“ spinnt hat ihm seinen Namen eingebracht. Diese Art der Verpuppung ist für einen Nachtfalter etwas ganz Besonderes, denn so verpuppen sich sonst nur Tagfalter.

„Der Graue Gürtelpuppenspanner ist nur sehr lokal verbreitet. Er fehlt in den Bundesländern Thüringen, Hessen und Nordrhein-Westfalen gänzlich“, führt Jochen Köhler zu dieser Art aus.

Die Landgraben-Dumme-Niederung hat große Bedeutung für den Artenschutz

Ein Großteil der gefundenen und als gefährdet geltenden Arten, lebt ausschließlich in Feuchtlebensräumen, wie dem Cheiner Torfmoor oder den Brietzer Teichen, und zwar sowohl in Offenland- als auch in Feuchtwaldlebensräumen. In der Landgraben-Dumme-Niederung bilden diese Biotoptypen großflächig ein eng verzahntes Mosaik, das entscheidend zu ihrer überregionalen Bedeutung beiträgt.

„Diese Bewertung unterstreicht die große Bedeutung dieser Gebiete für den Artenschutz in Sachsen-Anhalt und die Bedeutung von Mooren als Lebensraum bundesweit.“, zieht Dieter Leupold Bilanz, „Weitere Eingriffe in das Wasserregime, Entwässerung und Regulierung von Wasserläufen in Mooren, die zu Austrocknung von Teilen des Moorkörpers führen, werden für diese und viele weitere Arten katastrophale Folgen haben.“

Quervernetzung am Grünen Band

Das Projekt „Quervernetzung Grünes Band“ (Oktober 2019 – September 2025) im Bundesprogramm Biologische Vielfalt hat zum Ziel, das Grüne Band an landes-, bundes- oder sogar europaweit bedeutsame Biotopverbundachsen anzubinden und so seine Funktion als Rückgrat des Biotopverbunds zu stärken.

Überregionale Biotopverbundachsen werden in Zukunft eine immer größere Bedeutung für den Schutz der biologischen Vielfalt und die Erhaltung von Ökosystemleistungen haben. Hierzu müssen für die Verbundfunktion wichtige Gebiete ökologisch aufgewertet und entwickelt werden. Dadurch vergrößert sich der ökologische Verbund, Tiere und Pflanzen können sich wieder ausbreiten und weitere Arten ein Refugium finden.

In dem Projekt wird beispielhaft und in verschiedenen Ansätzen erprobt, wie zusammen mit Landwirtinnen und Landwirten, Landschaftspflegeverbänden, Schutzgebietsverwaltungen, Behörden und Gemeinden landschaftliche Elemente für einen Biotopverbund entwickelt und dauerhaft erhalten werden können. Außerdem sollen neue Biotope entstehen, besonders für Insekten. Hierfür werden u. a. wertvolle Strukturelemente wie Teiche, Steinriegel oder Hecken angelegt. Weiterhin werden die Bedeutung von Lebensraumnetzen weiter bekannt gemacht, Akzeptanz dafür geschaffen und sie für Menschen erlebbar gemacht.

Weitere Infos unter: https://www.bund-sachsen-anhalt.com/gruenes-band/quervernetzung-gruenes-band

Kontakt:

Dieter Leupold
Stv. Landesvors. BUND Sachsen-Anhalt e.V.
Projektleiter Grünes Band Sachsen-Anhalt

Mobil: 0151 12558830 | Tel.: neu 039000 986272 od. 03901 3939758 | Fax: 03901 3939760 |

BUND Sachsen-Anhalt e.V. | Koordinierungsstelle Grünes Band
Chüdenstr. 4, 29410 Salzwedel

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